Deine Aufgabe

„Die Seele stellt sich eine Aufgabe, bevor sie auf der Erde geboren wird“

 

Marc zog an seiner Zigarette. Er wirkte cool wie immer. Doch dazu kannte Cleo ihn mittlerweile zu gut. Das, was er da gerade sagte, berührte ihn tief.

 

„Es kann alles Mögliche sein. Einen Menschen umarmen. Jemanden glücklich machen. Oder auch Schmerz empfinden.“

 

„Schmerz empfinden?“

 

Was war das für eine esoterische Scheiße? Cleo nippte an ihrem Bierglas. Sie dachte an ihre Mutter. An die mit vielen Krankheiten, mit denen sie gekämpft hatte. Eine schlimmer und ungewöhnlicher als die andere. Die Ärzte hatten nur die Köpfe geschüttelt. Das hatte sie sie sich bestimmt nicht ausgesucht.

 

„Nicht jeder erkennt seine Aufgabe. Viele Seelen suchen ihr Leben lang danach. Nicht jeder ist offen dafür oder bereit, diese Aufgabe anzunehmen. Gefangen in seiner Komfortzone.“

 

Ja, darin war sie auch gefangen. Oder besser: Sie wäre es gern gewesen. Sehnte sich zurück nach dem ruhigen Leben, ohne diese Angst, ohne diesen Sog, der sie immer weiter und weiter trieb.

 

„Dabei ist es gar nicht so schwer. Denn die Aufgabe zeigt sich immer wieder.  Sie folgt dem Ruf der Seele. Und die Menschen, die diese Aufgabe erkannt haben, die sie annehmen, brennen dafür. Das sind die, die uns im Gedächtnis bleiben. Künstler, die aufrütteln mit ihren Bildern, Musiker, deren Lieder wir wieder und wieder hören, Bücher, die uns zum Weinen bringen. Natürlich auch die Lichtgestalten wie Jesus und Gandhi. Aber auch andere, die, denen man gern zuhört, deren Worte im Gedächtnis bleiben. Wir spüren unbewusst, dass sie tiefer blicken, dass sie etwas verstanden haben, was anderen noch verschlossen bleibt. Es ist ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe, die sie jeden Tag antreibt, aufzustehen und zu sagen: Ja, kann losgehen, ich bin da!“

 

Marc zog den Aschenbecher zu sich heran und drückte die Zigarette aus. Dann sah er ihr tief in die Augen: „Und was ist deine Aufgabe, Cleo?“

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0